Fußsprechstunde: Ermüdungsbrüche und Stressfrakturen

In der Orthinform-Serie „Fußsprechstunde“ klärt Dr. Stefan Feiler (Orthopäde und Buchautor) spannende Fragen rund um das Thema Füße und gibt Patienten wertvolle Hinweise. Beschwerden am Fuß bremsen uns aus. Erst wenn die Füße anfangen zu schmerzen, wird uns ihr Wert ganz schnell bewusst.
©Dr. med. Stefan Feiler

Der preußische Militärarzt Breithaupt machte 1855 die Beobachtung, dass junge Rekruten nach langen und wiederholten Märschen häufig unter Schmerzen des Mittelfußes litten, und nannte dieses Phänomen „Marschgeschwulst“.

Erst 40 Jahre später entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen in Würzburg die nach ihm benannten Strahlen, mit denen die Knochen sichtbar wurden. Und schon zwei Jahre nach dieser bahnbrechenden Erfindung konnte der Arzt Schulte 1897 anhand von Röntgenaufnahmen beweisen, dass Brüche der Mittelfußknochen die Ursache für die schmerzhaften Soldatenfüße waren. Er nannte sie „Marschfrakturen“.

Das Schicksal einer „Marschfraktur“ trifft aber nicht nur Beschäftigte der Streitkräfte. Noch häufiger tritt sie beim Sport und im Kampf gegen die überschüssigen Pfunde zu Tage. Insbesondere Langstreckenläufer, Jogger und Leichtathleten sind betroffen. Aber auch vor Teamsportarten macht sie nicht Halt. So sind die Strecken, die im modernen Fußball heute von den Spielern zurückgelegt werden, in den letzten Jahrzehnten erheblich gestiegen. In der ersten Bundesliga sind das bis zu zwölf Kilometer in 90 Minuten.

Durch prominente Patienten wie Fußball-Weltmeister Philipp Lahm vom FC Bayern München ist das Krankheitsbild mit der „zivilen“ Bezeichnung Ermüdungs- oder Stressfraktur auch ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gerückt.

Ursachen

Ganz grundsätzlich geht einer Stressfraktur ein Ungleichgewicht zwischen Belastung und Belastbarkeit des Knochens voraus. Das heißt, dass entweder eine immer wieder auftretende Belastung auf einen eigentlich gesunden Knochen trifft und diesen schließlich in ihrer Summe überfordert. Es kann aber auch sein, dass eine alltägliche Belastung auf einen geschwächten Knochen einwirkt. In diesem Fall spricht der Experte von einer Insuffizienzfraktur (Insuffizienz = Unvermögen, Schwäche).

Ermüdungsbrüche

Ermüdungsbrüche treten vorzugsweise durch sportliche Belastung auf. Rein physikalisch handelt es sich um einen Materialermüdungsprozess. Durch eine gleichförmig wiederholt einwirkende Belastung oder Überlastung kommt der Knochen mit seinen Anpassungsprozessen nicht mehr nach. Er reagiert gereizt, wird geschwächt und bricht schließlich – so, als würden Sie eine Büroklammer ständig hin und her biegen, bis sie irgendwann bricht. Das „Ungewohnte“ an der Belastung kann durch verschiedene Faktoren hervorgerufen werden, etwa wenn zuvor eher inaktive und vielleicht auch übergewichtige Menschen mit sportlichem Training beginnen.

©W. Zuckschwerdt Verlag

Erklärung zum Bild, links: Fersenbeinermüdungsbruch eines Freizeitmarathonläufers (CT), rechts: Distale Schienbeinmarschfraktur einer Jakobuswegpilgerin

Weitere denkbare Auslöser des Knochenbruchs sind der Wiedereinstieg in die Bewegung nach längerer Sportpause und Veränderungen in den Trainingsgewohnheiten gut trainierter Sportler:

  • Steigerung der Trainingshäufigkeit
  • Steigerung der Dauer einer Trainingseinheit
  • Steigerung der Intensität bei gleicher Häufigkeit und Dauer
  • Wechsel des Untergrunds oder der Sportschuhe
  • Umsteigen auf eine andere Sportart (eventuell bedingt durch die Jahreszeiten)

Doch es geht nicht nur um Sportarten mit hohem Action-Faktor. Auch der plötzliche Entschluss, nach jahrelanger Arbeit im Büro den Pilgerweg nach Santiago de Compostela in möglichst kurzer Zeit zu Fuß bewältigen zu müssen, kann für die Knochen von Fuß und Sprunggelenk unter Umständen die falsche Entscheidung gewesen sein.

Unmittelbar nach einer außergewöhnlichen Belastung wie einem intensiven Training zeigt der menschliche Knochen erst mal einen stressbedingten Abbau. Dafür ist die Aktivierung knochenabbauender Zellen (Osteoklasten) verantwortlich. Nach etwa drei Wochen fangen knochenbildende Zellen (Osteoblasten) an, den Knochen wiederaufzubauen, und zwar stärker und fester als zuvor. Diese „Remodellierung“ dauert etwa 90 Tage.

Insuffizienzfrakturen

Wie eingangs erwähnt, besteht auch bei den Insuffizienzfrakturen ein Missverhältnis zwischen der Belastung und der Belastbarkeit des Knochens. In diesem Fall ist aber nicht eine übersteigerte Belastung, sondern eine verminderte Belastbarkeit des Knochens die entscheidende Ursache. Bereits ein Verlust von 5 % der Knochenmasse steigert das Frakturrisiko um das 40-fache. Wie kann es dazu kommen? Es gibt es eine Vielzahl verschiedener Ursachen, die den Knochen schwächen können. Hier einige Beispiele:

Medikamente können eine Rolle spielen. Die regelmäßige und langfristige Einnahme von Cortison greift die Festigkeit des Knochens an. Methotrexat, ein Rheumamittel, kann das gleiche Ergebnis bewirken. Auch Hormone sind ein wichtiger Faktor: Östrogenmangel führt insbesondere nach der Menopause bei Frauen zur Osteoporose.

So wie Knochen durch regelmäßiges Training stärker werden, kann durch Inaktivität auch Knochensubstanz abgebaut werden. Nach einer längeren Bettruhe aufgrund einer Erkrankung nimmt die Knochenbelastbarkeit ab. Das gleiche passiert nach einer längeren Ruhigstellung im Gips und Entlastung an Gehstützen, zum Beispiel nach einer Verletzung oder Operation. Hier spricht man von der sogenannten Inaktivitätsosteoporose.

Therapie

Hinsichtlich der Lokalisation von Ermüdungs- und Insuffizienzbrüchen unterscheidet man Frakturen mit hohem und niedrigem Risiko für eine schlechte Heilung. Bei Insuffizienzfrakturen ist es zunächst wichtig, den Auslöser für die Knochenschwächung zu erkennen und zu beseitigen oder therapeutisch dagegen zu lenken. Beispielsweise kann bei Aufnahmestörungen von Vitamin D im Verdauungstrakt regelmäßig Vitamin D intramuskulär als Depotpräparat gespritzt werden. Bei Osteoporose sind Medikamente einsetzbar, welche die Aktivität der Osteoklasten bremsen.

Sowohl bei den Ermüdungsbrüchen als auch bei den Insuffizienzfrakturen mit niedrigem Risiko für gestörte Knochenheilung ist die Belastungsreduktion das Mittel der ersten Wahl. Das ist aber nicht gleichbedeutend mit einer Ruhigstellung. Im Gegenteil: Alternative sportliche Aktivitäten wie Schwimmen, Aquajogging und Radfahren sind im schmerzfreien Bereich erlaubt. Bei gleichzeitiger nahrungsergänzender Aufnahme von Vitamin D und Calcium kann nach drei bis vier Wochen wieder ein behutsamer Belastungs- beziehungsweise Trainingsaufbau stattfinden.

Bei Stressbrüchen aus der Hochrisikogruppe sollte die Entscheidung für eine Operation und Verschraubung des Knochens nicht zu lange hinausgezögert werden.

Eine ausführliche Erklärung der Ursachen, der klinischen Untersuchung, Mischformen und der Therapie finden Sie in dem Buch "Füße - Beschwerden wirksam behandeln: Untersuchung - Diagnose - Therapie" von Dr. Stefan Feiler:

Informationen zum Buch

Zuckerschwerdt-Verlag: Füße - Beschwerden wirksam behandeln: Untersuchung - Diagnose - Therapie, ISBN: 978-3-86371-264-8, Autor: Dr. Stefan Feiler, 246 Seiten, Preis: 20,00 € (D) / 20,60 € (A),

Nächste Woche wird Ihnen Dr. Feiler hier Informationen zum Thema Fersenschmerzen.

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